Sechster Gesang


Nausikaa, des Königs Alkinoos' Tochter, von Athene im Traum ermahnt, fährt ihre Gewänder zu waschen an den Strom, und spielt dann mit den Mägden. Odysseus, den das Geräusch weckt, naht flehend.

Siebter Gesang

Nach Nausikaa geht Odysseus in die Stadt, von Athene in Nebel gehüllt und zum Palaste des Königs geführt, wo die Fürsten versammelt sind. Er fleht bei Königin Arete um Heimsendung und wird von Alkinoos als Gast aufgenommen. Nach dem Mahle, da Arete um die Kleider ihn fragt, erzählt er seine Geschichte seit der Abfahrt von Kalypso.

Achter Gesang

Alkinoos empfiehlt dem versammelten Volke die Heimsendung des Fremdlings und lädt Fürsten und den Reisegefährten zum Gastmahl. Kampfspiele. Odysseus wirft die Scheibe. Tanz zu Demodokos' Gesang von Ares und Aphrodite.

Und der Herold kam herbei und führte den geschätzten Sänger.
Den liebte die Muse über die Maßen und hatte ihm Gutes wie auch Schlimmes gegeben:
Der Augen hatte sie ihn beraubt, doch ihm den süßen Gesang gegeben.
Für ihn stellte man einen Lehnstuhl hin, beschlagen mit Silbernägeln,
mitten unter die Tischgenossen, und lehnte ihn an den großen Pfeiler.
Und der Herold hängte ihm zu Häupten an einen Pflock die helltönende Leier und zeigte ihm,
wie er sie mit den Händen ergreifen könne. Und er stellte vor ihn einen Korb und
einen schönen Tisch hin und einen Becher Wein, damit er trinken könne, wenn es sein Herz befahl.
Und alle streckten die Hände aus nach den bereiteten vorgesetzten Speisen.

Doch als sie sich das Verlangen nach Trank und Speise vertrieben hatten,
da regte die Muse den Sänger an, dass er den Ruhm der Männer sänge aus einer Liederfolge,
deren Ruhm damals zum breiten Himmel reichte: den Streit des Odysseus und des Achilleus –
wie sie einstmals bei einem blühenden Götterschmaus mit gewaltigen Worten miteinander
gestritten und sich Agamemnon, der Herr der Männer, gefreut hatte in seinem Sinne,
dass die besten der Achaier miteinander stritten.
Dies sang der rings berühmte Sänger. Odysseus aber ergriff den großen purpurnen Mantel
mit den starken Händen und zog ihn sich über das Haupt herab und verhüllte das schöne Antlitz,
denn er schämte sich vor den Phaiaken, dass er unter den Augenbrauen Tränen vergoss.
Und jedes Mal, wenn der göttliche Sänger mit Singen einhielt, wischte er sich die Tränen
und zog den Mantel vom Haupte und fasste den doppelt gebuchteten Becher
und tat den Weiheguss an die Götter. Da blieb es allen anderen verborgen, wie er Tränen weinte.
Nur König Alkinoos wurde es an ihm gewahr, und er merkte es, da er dicht bei ihm
saß und hörte, wie er schwer stöhnte.
Der König spricht zu dem Herold:
„Da, Herold! Reiche dieses Stück Fleisch dem Sänger Demódokos,
dass er es esse und ich ihm eine Aufmerksamkeit erweise, so sehr ich auch bekümmert bin!
Genießen doch bei allen Erdenmenschen die Sänger Ehre wie auch Ehrfurcht,
weil die Muse sie die Sangespfade gelehrt hat und den Stamm der Sänger lieb hat.“
Da sprach der vielkluge Odysseus: „Demódokos! Über die Maßen preise ich dich unter
allen Sterblichen: ob dich nun die Muse, die Tochter des Zeus, gelehrt hat oder auch
Apollon. Gar nach der Ordnung nämlich singst du das Unheil der Achaier:
wie viel sie getan und gelitten haben und wie viel sie ausgestanden,
die Achaier, so als wärst du selbst dabei gewesen oder hättest es gehört von einem andern.“
Odysseus bittet den Sänger, die Geschichte vom hölzernen Pferd von Troja vorzutragen.
Als er aber wieder heimlich weinen muss, bittet der König den Fremdling, seinen Namen zu nennen.

Fortsetzung



zurück