Wilder Markgraf
Wer im Neuen Fränkischen Seenland segelt,
hält auf dem Altmühlsee bisweilen den Kirchturm von Wald an.
Und wenn die "Weiße Villa" auf Brioni am 13. April 1990 bewohnt war,
dann konnte man von Titos Terrasse die Taufe einer Yacht
auf den ungewöhnlichen Namen "Wilder Markgraf" in der Bucht davor beobachten.
Auch ein Barockschloss befindet sich im Ort Wald, seit 2 1/2 Jahrhunderten
im Besitz derer von Falkenhausen. Ihr Wappen, symbolträchtig
Falken mit Steckhaube und auf Helmbusch, prangt an der Schlossfront.
Die erste Patronatsherrin der Kirche in Wald, die diesen adligen Namen trägt,
Madame Reichsfreyin Elisabetha von Falckenhausen, lebt mit dem Markgrafen
Carl Wilhelm Friedrich von Onoldsbach-Brandenburg in morganatischer Ehe.
In einem von starkem Blutdrang meist hochroten Gesicht
standen zwei hellblaue Augen und ein trotziger Mund
verhieß Leidenschaft und sinnliches Begehren.
Carl Wilhelm Friedrich ist jähzornig, manchmal ungerecht und grausam,
vor allem, wenn seine Jagdleidenschaft gestört
oder das Treueverhältnis zu ihm gebrochen wird.
Ein absolutistischer Herrscher von ungebändigter Wildheit,
geprägt von Unbeherrschtheit, Jähzorn und Leidenschaftlichkeit.
Er war aber auch großzügig, hatte Interesse an Kunst und Wissenschaft.
Zahllose Bauten werden unter seiner Herrschaft geschaffen und gefördert.
Vier Passionen hat der Fürst, genannt der "Wilde Markgraf":
Falken, Fohlen, Fische, Frauen.
Er ist Herr über die größte Falkenzucht Europas,
der Rektor der Gunzenhäuser Lateinschule muss seinem Fürsten,
dessen zentraler Lebensinhalt die Falken sind,
das berühmte Falkenbuch ("De arte venandi cum avibus") Friedrichs II.
ins Deutsche übertragen; die Falknerei ruiniert den Staatshaushalt.
Er unterhält ein Falkenkorps mit 51 Leuten, vom Obristfalkenmeister über Falkenmaler
bis zum Falkenjungen. Er lässt Münzen, die "Falkentaler" prägen und stattet sein
Jagdschloss in Gunzenhausen mit Falkenkacheln aus.
Er betreibt ein Gestüt in Bruckberg, eine Fischzucht in Untereichenbach und
seine Mätresse, nunmehr Frau "zur linken Hand", hat er in seinem
Jagdschloss Georgenthal im Mönchswald untergebracht, wo er,
wenn die anderen Passionen und Regierungsgeschäfte das zulassen,
seine Zeit zubringt.
Sein Schwager, Friedrich II. der Große von Preußen,
mit dessen vierzehnjährigen Schwester Friederike Luise
der nur 2 Jahre ältere Markgraf Carl Wilhelm Friedrich 1729 in Berlin
verheiratet wird, rügt brieflich wie bei Besuchen
die Zustände am fränkischen Hof.
Friedrich ist auf den Ansbacher ohnehin nicht gut zu sprechen:
Als er angewidert von der Strenge seines königlichen Vaters
18jährig seine Flucht von Triesdorf nach Frankreich plant,
hat das der Markgraf, sein Schwager, verhindert.
Aber: Hat nicht auch der Preußenkönig seine Königin
schon kurz nach der Hochzeit, ohne mit ihr
die Copulatio carnalis zu vollziehen,
ebenfalls nach Schönhausen verbannt?
Die preußische Prinzessin ritzt mit einem Diamanten
in eine Fensterscheibe der Ansbacher Residenz ihr Leid:
Je souffre sans oser le dire.
Die Falkonierstochter Eva Elisabeth Winkler aus Leidendorf
entspricht so recht den Wünschen des Markgrafen:
Unter den Pseudonymen Elisabeth Wünschin und Johann Wilhelm Falck
erschleicht sich das Paar den Segen des Gottes
der protestantischen Kirche für ihre Ehe durch den Pfarrer von Haundorf
- so stellt es dessen Kollege Kaussler in einer "historischen Novelle" dar.
Aber auch das verhindert nicht, dass einige Jahre später,
nachdem sie 4 Kinder gezeugt, die der Vater samt deren Mutter
vom Kaiser in den Adelsstand erheben lässt,
der Markgraf sein Herz an Margarete Dietlein,
Tochter seines Fischermeisters in Obereichenbach, verliert,
die er ebenfalls schwängert.
Der Markgraf und seine Witwe zur linken Hand sterben 1757,
er in seinem Jagdschloss in Gunzenhausen,
sie in Schloss Wald, wo heute ihre Nachkommen gleichen Namens residieren.
Die Frau zur linken Hand und deren Nachkommen waren gut gesichert.
Als der höfische Obristbaudirektor Friedrich Freiherr von Zocha
ohne Leibeserben 1749 stirbt - seit 100 Jahren hat die Familie
im Schloß Wald gewohnt, sein Leichnam wird standesgemäß "beygesazet"
in der hochadeligen Gruft der örtlichen Kirche -
fallen die Lehensgüter Wald und Laufenbürg an den Fürsten zurück.
Nach französischen Plänen hat der Hofbaumeister Kirche und Schloss
gestalten lassen, das Elisabeth Winkler alias Wünsch, nunmehr
Freiin von Falkenhausen, als "Kunkellehen" überschrieben wird.
Das sind Lehen, die auch die Frauen erben konnten.
Auch Schloß Deberndorf und Trautskirchen wurden ihr
und Schloss Bibersfeld den Söhnen überlassen.
Die würdige Taufzeremonie der Segelyacht "Wilder Markgraf" wird von der Coastguard eines sozialistischen Regierungschefs
gestört, der wie ein fürstlicher Potentat auf Brioni residiert.
Das Sgegelschiff ist dem Inselparadies des Genossen - damals hermetisch abgeriegelt, heute zugänglich -
zu nahe gekommen und wird verjagt
Fünf Ansbacher Hochseesegler hatten das Schiff gemeinsam erworben,
ein Richter, ein Zahnarzt, ein Pfarrer, eine Steuerberaterin
und ein Arbeitsloser sind die die illustre Reedergemeinschaft.
Die Freude auf dem Segelschiff mit dem stolzen Namen "Wilder Markgraf" aber
währt nicht lange: Sein Heimathafen Trogir lag
im Gebiet des jüngsten Balkankriegs. Und nachdem
eine renommierte Chartergesellschaft sich weigerte,
es zu verlegen, prozessieren die Eigner erfolgreich
durch drei Instanzen: Das Schiff muss zurückgenommen werden.
Der "Wilde Markgraf" verschwindet ein zweites Mal von der Bildfläche ...
Und die Moral von der Geschicht?
Benenn ein Schiff
nach Fürsten nicht!
(jedenfalls nach solchen nicht ...)
Die Markgräfin Friederike Luise stirbt geistig umnachtet 1784 auf Schloss Schwaningen. Dort hat sie aus Langeweile die einzige
künstliche Venezianische-Gondel-Regatta-Strecke nördlich der Alpen bauen lassen...
Und ihr Sohn Karl Alexander, Nachfolger des „Wilden Markgrafen“, erbt Bayreuth, dankt später ab, geht nach England und stirbt 1802,
Ansbach und Bayreuth fallen an Preußen und Napoléon übergibt beides an das Königreich Bayern. Seitdem sind Franken Bayern.
Nachtrag:
Anlässlich seines 300ten Geburtstages kehrt Markgraf Carl Wilhelm Friedrich nach Ansbach in die Welt der Lebenden zurück und muss fassungslos mit ansehen, wie seine Lebensleistung von jeder Menge Lügen, Halbwahrheiten und Legenden verdreht ist. Bei einer Schlossführung stellt er den Museumsführer zur Rede und verlangt die Richtigstellung aller Unwahrheiten.
Aber Carl Wilhelm Friedrich wird nicht nur mit historischen Verzerrungen konfrontiert, sondern auch mit seiner Ehefrau Markgräfin Friederike Luise, seiner Mutter Markgräfin Christiane Charlotte und seinen Mätressen. Sie machen am Ende gemeinsam dem Schlossführer einen grausamen Prozess, bei dem alles auf den Tisch kommt: Der abgeschossene Schornsteinfeger, der gesottene Husar, die vielen Opfer und Gequälten des Markgrafen, die Sache mit dem Synagogenbau, seine Verschwendungssucht und natürlich seine zahlreichen Liebesaffären.
Packendes Geschichtsbild des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich von Gerd Scherm
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