P H A S E L I S
Wer den Golf von Antalya mit Westkurs überquert, gelangt
auf eine kleine Halbinsel am Fuße des Taurosgebirges, an deren Süd- und Nordseite sich geschützte Buchten finden:
Phaselis liegt hier, die einzige antike Stadt Kleinasiens, die drei Häfen bessitzt.
Seine malerische Lage in einem Pinienwäldchen am Meer würde allein schon genügen,
um den Ort zu einem der anmutigsten der türkischen Riviera zu machen.
Dieser besonderen Lage verdankt Phaselis seine einzigartige Bedeutung:
In kaum einem anderen Ort hat sich mehr Geschichte abgespielt und
wurde Geschichte gemacht als hier.
Wäre alles etwas anders gelaufen, würden Gläubige heute nicht nach Mekka oder
Jerusalem pilgern, sondern hierher, wo der Mythos von Alexander als
Sohn Gottes entsteht...
Für einen kurzen Moment hebt sich der Vorhang im Theater der Geschichte und zwei Männer treten
aus dem Grau der Helden, Statisten und Jahreszahlen ins Rampenlicht:
Theodektes und Alexander der Große.
Die Bedeutung von Phaselis (andere Namen Pityusa oder Pharsalos) als Hafenstadt
beginnt schon Mitte des 6. Jh. v. Chr.
Phaselis als Handelsstadt mit seinen drei Häfen in unmittelbarer Nähe zum persischen Einflussgebiet
in Kleinasien hat (bis zur Gründung von Attaleias (Antalya) um 150 v. Chr.) herausragende Bedeutung,
ist wirtschaftlich außergewöhnlich wohlhabend und als Handelsstation auf dem Weg von Griechenland
nach Syrien und Palästina günstig gelegen.
Phaselis ist laut Herodot unter den Städten, die von König Amasis (569-526 v.Chr.) die Erlaubnis zur
Besiedlung von Naukratis im Nil-Delta bekommen (zusammen mit den dorischen Städten Rhodos,
Knidos und Halikarnassos).
Ab etwa 550 v. Chr. gehört Phaselis lange Zeit dem Perserreich an – wie viele kleinasiatische Griechenstädte.
Politisch nimmt Athen dies zum Vorwand, um die Aktivitäten des Attischen Seebundes als
antipersisches Kampfbündnis zu tarnen. So wird Phaselis 469 v. Chr. „zwangsbefreit“ und in den
Seebund gezwungen – als blühende Handelsstadt mit hohen Tributen in strategisch wichtiger Lage
ein bedeutender Zugewinn für Athen.
Theodektes ist der bekannteste Sohn der Stadt. Ca. 400 v. Chr. geboren, avanciert
er in Athen zu einem gesuchten Redenschreiber (da man sich vor Gericht selbst verteidigen muss, lässt
man die Rede meist durch einen Fachmann ausarbeiten).
Bei den Leichenfeiern für Mausolos von Halikarnassos misst Theodektes sich 353 v. Chr.
mit den berühmtesten Rednern seiner Zeit im Redewettkampf, ist bekannt auch als Verfasser
von Theaterstücken für dionysische Wettkämpfe und für sein phänomenales Gedächtnis
(noch heute nennen sich bekannte Gedächtnistrainingsmethoden nach ihm!).
Phaselis ehrt ihren berühmten Bürger mit einem Standbild auf der Agora.
In Athen lernt Theodektes den jungen Aristoteles kennen, den späteren Lehrer Alexanders.
Als dieser nach Phaselis kommt, lebt Theodektes nicht mehr, doch für den jungen König Alexander ist er ein Begriff.
Nach 411 v. Chr. abermals persisch, ergab sich Phaselis 333 v. Chr. Alexander dem Großen.
Alexander, König von Mazedonien, brutaler Blitzkrieger, bisexueller Liebhaber,
muskelstrotzender Held und Welteroberer, zieht auf einem einzigartigen Siegeszug über Ägypten,
Babylonien, Persien bis zum Indus. Zur Eroberung Phöniziens ist die Verhinderung des Durchkommens einer
Flotte in die Ägäis strategische Notwendigkeit. Deshalb zieht die mazedonsiche Armee ostwärts:
Alexander erobert einen nach dem anderen der lykischen und pamphylischen Häfen, sie sollen
von Persern nie mehr angelaufen werden können.
Und eines Tages, als das Heer an der Lykischen Küste vorrückt, bemerken die Soldaten bei Phaselis,
wie das Meer zurück zu weichen scheint, Alexander und seine Männer können im Flachwasser
bis Antalya galoppieren...
Moderne Forscher bezweifeln dies angesichts der geographischen Verhältnisse, und auch
Callisthenes von Olynthus (wie Alexander Schüler des Aristoteles), Alexanders Hofschreiber,
muss um die Unmöglichkeit dieser Behauptung wissen. Doch er stellt den Ritt als Beweis
für die Abstammung seines Herrschers von Gott dar, dem
alle Naturgewalten gehorchen, erster Schritt für den späteren Glauben an die Gottes-Sohn-Eigenschaft Alexanders.
Laut Pausanias befindet sich im Hauptheiligtum der Stadt, dem Athena-Tempel, der Speer Achills.
Auch das mag der Grund sein, warum Alexander, der sich als "neuer Achill" empfindet,
einige erholsame Winterwochen in Phaselis verbringt. Jedenfalls berichtet Plutarch, wie der vom Wein
berauschte Alexander auf dem Heimweg von einem Trinkgelage seinen Gefährten die
Kränze von den Häuptern nimmt und in heiterer Stimmung damit das Denkmal des Theodektes bekränzt.
Während der Diadochenkriege zunächst ptolemäisch (bis 197 v. Chr.), dann seleukidisch (bis 187 v. Chr.) ,
ca. 100 Jahre später scheint Phaselis unabhängig zu sein.
Der starke Konkurrent Attaleia (Antalya) als Hafen- und Handelsstadt bringt Phaselis einen ersten Niedergang,
der es Anfang des 1. Jahrhunderts v. Chr. gemeinsam mit Olympos zu einem Schlupfloch
kilikischer Seeräuber herunterkommen lässt.
42 v. Chr. nimmt Brutus die Stadt ein, gIiedert sie dem Römischen Reich ein.
Kaiser Hadrian besucht Phaselis
129 n. Chr.; ihm zu Ehren baut die Stadt das Hadrianstor.
650 n. Chr. fallen die Araber ein, zerstören die Stadt völlig, im 12. Jh. erobern Seldschuken die Stadt.
Domitian, Trajan und Hadrian bauen die in den Seeräuberkriegen zerstörte Stadt Ende des 1. Jahrhunderts
n. Chr. repräsentativ wieder auf - Phaselis erlebt seine zweite Blüte.
Aus dieser Zeit stammen die meisten der heute erhaltenen Ruinen. Von den späteren Einfällen
der Piraten und Araber in der Mitte des 7. Jahrhunderts erholt sich Phaselis dann nie mehr,
auch wenn es als byzantinischer Flottenstützpunkt im 8. Jahrhundert vorübergehend noch einmal
wirtschaftlich aufsteigt. Seit dem 10. Jh. dient es nur noch als Steinbruch für Antalya,
das Material für seine Befestigungen benötigt - viele der dort verbauten Steine weisen auf Phaselis
bezogene Inschriften auf.
Seit dem 12. Jh. ist der Ort verlassen und nie wieder besiedelt und bleibt bis vor kurzem verschollen;
erst 1971 und 1981 veröffentlichen deutsche Archäologen eine topographische Bestandsaufnahme.
Der sogenannte Stadthafen (Teil der Nordbucht) mit seinen mächtigen Kaimauern ist heute eine beliebte Badebucht.
Von dort führt die über 20 Meter breite Prachtstraße mit den bedeutenden römischen Bauten beidseits zum
Südhafen, der durch eine Mauer geschützt ist. Auf der nordwestlichen Seite reihen sich die drei Agoren
(Marktplätze) aus den Zeiten Hadrians, Domitians und der Spätantike aneinander.
Dort befinden sich auch Reste der Thermen und byzantinische Ruinen. Auf der gegenüberliegenden
Südostseite errichtet man das Stadttheater in Hanglage. Die oberhalb gelegene Akropolis von Phaselis zeigt
noch Hausreste der letzten Bewohner, die seit dem 7. Jahrhundert die Stadt aufgeben und
sich auf dem Bergrücken verschanzen. Die übrigen Wohnviertel mit Straßen und Häusern
sind nahezu vollständig abgetragen.
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