15.

Sieben Jahre Kalypso, Floßbau, wiederum Schiffbruch, Rettung



7 Jahre teilt Odysseus mit der
schöngelockten, der hohen, der redebegabten Göttin sein Lager.
Ernle meint, daß die Sehnsucht unseres Helden nach seiner
Penelope begreiflich sei, wenn man sich die Frauen aus der
fraglichen Gegend anschaue: Sie litten an Steatopygie,
einem übertriebenen Fettsteiß und Kurzbeinigkeit; nach ein
paar Ehejahren gingen sie grotesk in die Breite.
Kalypso soll Odysseus Zwillinge geschenkt haben,
Nausithoos und Nausinoos.

Und so schildert Homer ihre Heimstatt:

Vor ihr brannt' auf dem Herd ein großes Feuer, und fernhin
Wallte der liebliche Duft vom brennenden Holze der Zeder
Und des Zitronenbaums. Sie sang mit melodischer Stimme,
Emsig, ein schönes Gewebe mit goldener Spule zu wirken.
Rings um die Grotte wuchs ein Hain voll grünender Bäume,
Pappelweiden und Erlen und düftereicher Zypressen.
Unter dem Laube wohnten mit breiten Schwingen die Vögel,
Eulen und Habichte auch und viel geschwätzige Krähen,
Wasservögel, die sich geschäftig nähren am Strande.
Um die gewölbte Grotte des Felsens breitet' ein Weinstock
Seine schattenden Ranken, behängt mit purpurnen Trauben.
Und vier Quellen ergossen ihr silberblinkendes Wasser,
Eine nahe der andern, und schlängelten hiehin und dorthin.
Wiesen grünten schwellend umher, mit Violen und Eppich.
Selbst ein unsterblicher Gott verweilte, wann er vorbeiging,
Voll Verwunderung dort und freute sich herzlich des Anblicks

Und dann kommt Götterbote Hermes, verkündet Zeus' unabänderlichen Beschluss:

"Jetzt gebietet dir Zeus, ihn ohne Verzug zu entlassen,
Denn ihm ward nicht bestimmt, hier fern von den Seinen zu sterben,
Sondern ihm ist verliehn, seine Lieben wiederzusehen
Und das erhabene Haus und seiner Väter Gefilde"

Die Stunde des Abschieds naht:

Aber Kalypso ging hinaus zum Helden Odysseus,
Schnell, da die hohe Nymphe den Willen Kronions vernommen.
Dort am Gestade fand sie ihn sitzen; nimmer von Tränen
Ward ihm trocken das Aug', sein süßes Leben verweint' er
Nach seiner Heimat: denn lange nicht mehr gefiel ihm die Nymphe,
Sondern er ruhte des Nachts in ihrer gewölbeten Grotte
Ohne Liebe bei ihr, ihn zwang die liebende Göttin;
Aber des Tages saß er auf Felsen und sandigen Hügeln
Und mit Tränen und Seufzern und bitterem Grame sich härmend
Sah er über das öde Meer hin, Tränen vergießend





Zu ihm trat sie hin und sprach, die herrliche Göttin:
"Armer, sei mir nicht immer so traurig und härme dein Leben
Hier nicht ab; ich bin ja bereit, dich von mir zu lassen.
Haue zum breiten Floß dir hohe Bäume, verbinde
Dann die Balken mit Erz, und oben befestige Bretter,
Daß es über die Wogen des dunkeln Meeres dich trage
Siehe, darin will ich dir Brot und Wasser reichen, und roten
Herzerfreuenden Wein, dem Hunger und Durste zu wehren;
Will dich mit Kleidern versehn und günstige Winde dir schicken,
Daß du ohne Gefahr gelangst zum heimischen Ufer"



Gesagt, getan. Nach Vollbad, langem Gespräch, opulenten Mahl und letzter Liebesnacht macht der Held sich an die Arbeit:
Bäume gefällt, mit Nägeln und Klammern aneinander gefügt
Bohlen auf Rippen befestigt, Klüverbaum, Mast aufgestellt, Rahe dran,
Steuerruder gezimmert, Schanzwehr aus Flechten, Ballast,
Stage, Fallen und Schoten ("segelwendende Seile"), Segel genäht,
Floß fertig und zu Wasser gelassen.

Vorrat gebunkert, Leinen los!

Nach Sternen navigiert,

am 18. Tag beim Land der Phäaken,
aber -
die Rechnung ohne Poseidon gemacht:


Der regte das Meer auf
Mit dem erhobenen Dreizack; rief jetzt allen Orkanen,
Aller Enden zu toben, verhüllt' in dicke Gewölke
Meer und Erde zugleich; und dem düstern Himmel entsank Nacht.
Unter sich stürmten der Ost und der Süd und der sausende Westwind,
Auch der hellfrierende Nord, und wälzte gewaltige Wogen.
Und dem edlen Odysseus erzitterten Herz und Kniee.

Zuerst zerbirst das Floß, Odysseus rettet sich auf eine Planke, die Brandung wirft ihn an Klippen und reißt ihn zurück in die Fluten, schwimmend und schwer verletzt rettet er sich ans Ufer, wo flach...
verkriecht sich in einem Ölbaumblätterhaufen, versinkt in Tiefschlaf (die Schilderung des Schiffbruchs ein Stück Weltliteratur!)