10.

Im Hades: Gibraltar

Als Odysseus vom Lästrygonenland ostwärts segelt, stimmt die Richtung - nur: der italienische Stiefel in seiner ganzen Länge versperrte den Weg nach Ithaka.
Nun muß er durch die Hölle, den Hades - zu den Säulen des Herkules, sprich zum Okeanos, zum Weltstrom, nach Gibraltar... Der von Circe geschickte Tramontana ist ihnen, die um das Südkap Sardiniens weiter westwärts müssen, hochwillkommen.
Die Säulen des Herakles waren das Ende der damaligen Welt. Dahinter lag der große Strom des Ozeans mit wuchtigen Gezeiten und unberechenbaren Strömungen - für Seeleute aus dem Mittelmeer befremdlich, wenn nicht erschreckend! Im übrigen herrschten in diesem Teil des Mittelmeers die Phönizier unumschränkt. Jenseits liegt das Reich des Okeanos, Kirkes Großvater, und dort versinkt die Sonne (Kirkes Vater) in unbekannten Weiten des Westens...
Und hier nun trifft Odysseus die Seelen der Toten, hier erfährt er sein künftiges Schicksal. Und danach eilt er von dannen, getrieben vom steten Oststrom in der Straße, von den Riemen seiner Ruderer und drauf von günstigen Winden, zurück an die Küsten des Lichts.



Und die alle traf er in der Unterwelt:

als ersten Elpenor, den früh und kürzlich Verstorbenen, seine Mutter Antiklea, die er lebend verließ und die aus Kummer über den abwesenden Sohn verstorben, Teiresias, den Seher, um dessentwillen er hier ist, alle die irdischen Frauen, von Götter geschwängert, Epikaste, des Ödipus Mutter und blutschänderisches Weib, seine Freunde Agamemnon, erschlagen von Ägist und Klytemnestra, Achilleus, Patroklus, Antilochos und Ajas (der ihm aber noch zürnt). Und den Minos, Orion, Tityos, Tantalos, Sisyphos und Harakles.

Teiresias Weissagung:
Glückliche Heimfahrt suchst du dir, ruhmreicher Odysseus:
Schwer wird ein Gott sie dir machen: denn nimmer wirst du entrinnen,
Fürcht' ich, dem Erderschüttrer, der Groll dir hegt in der Seele,
Glückliche Heimfahrt suchst du dir, ruhmreicher Odysseus
Schwer wird ein Gott sie dir machen: denn nimmer wirst du entrinnen,
Fürcht' ich, dem Erderschüttrer, der Groll dir hegt in der Seele,
Zürnend, weil du dem lieben Sohn das Auge geblendet.
Dennoch kämt ihr auch so, nach vielen Leiden, nach Hause,
Möchtest du nur dein Herz und der Freunde Herzen bezähmen,
An dem Tage, da du zuerst im tüchtigen Schiffe
An der Insel Thrinakia landest, entflohen dem Meere,
Und dort weidend die Rinder findest und stattlichen Schafe,
Helios' Herde, der alles erschaun kann, alles erhorchen.
Wenn du sie unversehrt erhältst, gedenk' deiner Heimkehr,
Mögt ihr, ob auch nach vielem Leid, nach Ithaka kommen.
Aber versehrst du sie, alsdann weissag' ich Verderben
Deinem Schiff und den Freunden. Und bist du auch selber entronnen,
Wirst du doch spät, unglücklich und ohne Gefährten, zur Heimat
Kommen, auf fremdem Schiff, und Elend finden im Hause,
Übermütige Männer, die deine Habe verschlingen
Und dein göttliches Weib mit Brautgeschenken umwerben;
Aber du kommst und wirst ein Rächer sein der Gewalttat.
Hast du aber die Freier daheim in deinem Palaste,
Sei's mit List oder offen gewürgt mit der Schärfe des Schwertes,
Nimm dann mit ein schöngeglättetes Ruder und wandre
Fort, bis daß du kommst zu Männern, die kennen das Meer nicht
Und tun Salz nicht an die Speise, welche sie essen,
Denen Kunde nicht kam von purpurwangigen Schiffen,
Noch von geglätteten Rudern, die Flügel werden den Schiffen.
Ein untrügliches Zeichen des Zieles will ich dir geben:
Wenn ein Wanderer einst, der dir in der Fremde begegnet,
Sagt, du trügst auf der hellen Schulter des Worfelers Schaufel,
Da gleich schlag' in die Erde das schöngeglättete Ruder,
Und bring' stattliche Opfer dar dem Herrscher Poseidon.
Einen Widder und Stier und einen springenden Eber.
Und dann wandere heim und bring' der heiligen Opfer
Hundert den ewigen Göttern, die hoch den Himmel bewohnen,
Allen, der Ordnung nach. Dir selbst wird ferne dem Meere
Kommen ein sanfter Tod und hinweg dich nehmen in Frieden,
Von behaglichem Alter gebeugt; und um dich die Völker
Werden gesegnet sein. Dies sei dir untrüglich verkündet!