Odyssee


Dörpfeld






Hoch über der Halbinsel Hagia Kyriaki steht ein einfaches, dennoch nicht ins Bild passendes schlichtes Holzfertigteil-Haus mit Traumblick übers Ionische Meer vor Levkas, inmitten die Privatinsel Skorpios des Reeders Onassis und seiner Familie.
Und nicht weit entfernt, näher zum Meer, liegt der Mann begraben, der hier 1940 87jährig starb.
Als wir es auf unserer Odyssee-Segeltour 1995 --> besuchen, liegt alles still und verlassen, 2006 --> ist alles hermetisch abgeriegelt, unsere Regierung hat das Anwesen an Privat verkauft...
Durch die Tranquil Bay toben Motorboote mit Wasserskifahrern und Ausflugsdampfer mit lauter Musik, Touristenfähren, Wassermotorräder...



Im Sommer 1908 fährt ein strahlend weißer Dampfer unter den Leukadischen Felsen vorbei. Das 400t-Schiff hat zwei goldgelbe Schornsteine, auf dem mittleren seiner drei Masten prunkt in gelber Seide die Kaiserstandarte des Deutschen Reiches mit dem schwarzen Eisernen Kreuz. Es ist die »Hohenzollern«, die Lustjacht des deutschen Kaisers Wilhelm II. Auf Deck sitzt Majestät in einem segeltuchbezogenen Stuhl, ein Zeiss-Glas in der Hand. Zu seiner Rechten ein großer, schlanker Mann im hellen Sommeranzug, einen breiten Panamahut über dem offenen Männergesicht, aus dem blaue Kinderaugen über einem buschigen grauen Schnurrbart angestrengt in die Klippen spähen. Mit weitausholenden Armbewegungen erklärt er die Küste. Dörpfeld ist 55 Jahre alt, Architekt, Archäologe und, wie es sich für einen deutschen Wissenschaftler gehört, selbstverständlich Professor. Er forscht und lehrt am Deutschen Archäologischen Institut in Athen, arbeitet als Bauführer bei den Ausgrabungen in Olympia und brachte als engster Mitarbeiter wissenschaftliche Systematik und handwerkliche Erfahrung in die anfangs oft chaotischen Ausgrabungen Schliemanns, ohne jemals dessen Genie erreichen zu können.

Wie ein riesiger majestätischer Schwan fährt die »Hohenzollern« langsam um die Insel Leukas herum, macht Abstecher in die engen Buchten, lotst sich vorsichtig zwischen Inselchen und messerscharfen Felsen hindurch und erregt die Bewunderung der Fischer und Hirten, die noch nie ein solches Schiff so nahe an ihrer vergessenen Insel gesehen hatten.
Wilhelm Dörpfeld erklärt dem archäologischen Hobbyreisenden Wilhelm II. seine neue Theorie. In seinem Buch »Alt-Ithaka« (München 1927) erinnert sich Dörpfeld: »Überall hatte ich, mit dem Homer in der Hand, die volle Übereinstimmung aller Teile der Insel mit den Angaben des Dichters über Ithaka gezeigt ...
Seine Majestät der Kaiser, der schon seit seinem ersten Besuch in Griechenland, 1889, meine homerischen Arbeiten und besonders meine Grabungen in Troja mit lebhaftem Interesse verfolgt und tatkräftig gefördert hatte, war von dem Gesehenen begeistert und versprach mir seine warme Unterstützung für meine weiteren Arbeiten. Da er erfahren hatte, daß ich in den letzten Jahren mit meinen Mitarbeitern in der sumpfigen Ebene von Nidri gewohnt und dort unter dem Fieber gelitten hatte, versprach er beim Abschied, mir ein transportables Haus aus Deutschland zu schicken, das auf der Höhe über dem Hafen aufgestellt werden müsse und uns in Zukunft einen gesunden Aufenthaltsort bieten würde. Schon im Sommer 1908 kam das schöne Tropenhaus aus Deutschland

und hat seitdem meine Mitarbeiter und mich und auch schon manchen Archäologen und Homer-Forscher beherbergt.«
Dörpfeld hatte nach dem Tode Schliemanns, 1890, die begonnenen Ausgrabungen zu Ende geführt und war 1905 mit aufsehenerregenden Büchern über eine neue Ithaka-Theorie an die Öffentlichkeit getreten. Er wollte sich nicht damit zufrieden geben, daß auf Ithaka keine Spur von der Burg und dem Palast des Odysseus gefunden wurde. Er suchte weiter - auf der nördlichen Nachbarinsel Leukas. Seine verkündete Meinung: Ithaka ist nicht Ithaka - sondern Leukas ist Ithaka.

Dörpfeld hat die einst kahle Halbinsel um des Kaisers Fertighaus herum in ein grünes Paradies verwandelt: er pflanzte alles selbst an, und brachte es zum Wachsen und Blühen.
Bis an sein Lebensende hat Dörpfeld ganz Leukas umgegraben - gefunden hat er nichts.
Erst Nachgrabungen haben im westlichen Teil der Ebene von Nydrion - hier vermutete er Odysseus' Haus - an vielen Stellen 4 bis 6m tiefe Hausmauern und Keramikscherben zu Tage gefördert, die Dörpfelds These stützen könnten.

*) Siehe aber Aktuell -->