Zitate aus "Barawitzka"

Die Welt schien in Ordnung, und wir freuten uns auf einen kleinen Spaziergang in Mali Losinj. Ein paar wollten zur Kirche hinaufgehen, ein paar wollten lieber Andenken und Postkarten einkaufen, und der eiserne Rest, der bei jeder Mannschaft überbleibt, wollte einen Weinkeller aufsuchen. Wir waren zwar der einzige Touristensegler in dem Hafen, aber dennoch freute uns das besondere Interesse, daß die Losinjer für unsere HIPPODACKL und ihre Mannschaft zeigten. Eine dichte Traube stand um das Boot, und die Sessel der umliegenden Kaffeehäuser und Gostonicas füllten sich im Nu mit uns freundlich zublinzelnden Fischern, Seefahrern und Handwerkern.

Ich ging kurz an die Bar und kaufte mir eine Schachtel Filterzigaretten. Der Wirt machte mir Komplimente wegen des schönen Schiffs und der guten Seemannschaft, die wir beim Anlegen gezeigt hatten.
„Das ist größte Hochachtung", sagte er, „diese Steuermann ist zu bewundern. So schwere Schicksal und so gute Steuermann."
Ich rauchte mir eine Zigarette an und wurde aus dem verdrehten Deutsch des Wirts nicht ganz klug.
„Ja, ja", murmelte ich leichthin, „ganz guter Steuermann."
Jetzt wurde der Wirt aber enthusiastisch.
„Nix ist ganz gut, das ist größte Hochachtung! Das gehört in Zeitung! Steuermann ist blind und lenkt Schiff wie Kolumbus! Das ist größte Hochachtung!"
Ich fuhr herum und erstarrte in der Bewegung. In seinen Sessel hingegossen, sonnte sich Gludowatz mit seinen altmodischen schwarzen Sonnenbrillen - und auf seinem Arm leuchtete weithin sichtbar die gelbe Binde mit den schwarzen Punkten.
Eine Viertelstunde später hatten wir überhastet abgelegt, die eingekauften Kartons und Schachteln wild ins Cockpit geworfen und tuckerten so schnell es ging aus der Bucht. Mit großen Augen hatte die Menge schweigend Platz gemacht, als wir den blinden Landtagsabgeordneten an Bord führten, ihm die Hände aufs Ruder legten und schnell die Leinen lösten. Für diese Saison hatte Mali Losinj eine Legende, die man den ganzen Sommer über erzählen konnte, die Legende von dem blinden Steuermann. Und die HIPPODACKL und ihre Mannschaft hatte einen Hafen, den sie meiden mußte für diese Saison wie eine Lepra-Insel.


„Da hinten in der Bucht von Sipan ist eine weiße steinerne Mole mit einem roten Lichtmastrund ich sehe den Kirchturm und die Dächer von Häusern. Im Leuchtfeuerverzeichnis ist das rote Festlicht vom Hafen Luka auf Sipan verzeichnet, aber im Hafenhandbuch fehlt jede Erwähnung von Luka", sagte der Hofrat.
Diese Meldung elektrisierte die Mannschaft. Etwas, was es gibt und doch nicht gibt!
„Im Hafenhandbuch steht, man dankt für jede neue Information über Häfen", las der Hofrat vor. „Wie wäre es, wenn wir diesen Hafen erkunden und unsere Beobachtungen einsenden?"
Der Hof rat war aufgeregt. Er sah schon die Urkunde vom Kreuzerverband an der Wand hängen. „Der Crew der HIPPODACKL in Anerkennung für die ausgezeichnete Vermessungsarbeit im Hafen von Luka."
Der Hof rat brachte ungewollt eine besondere Saite in uns zum Klingen. Wer erkundet nicht gerne etwas Neues. Wir bekamen alle glänzende Pfadfinderaugen. Barawitzka kommandierte: „Alle Kompasse an Deck, das Schlauchboot zu Wasser, Handlot vorbereiten, Echolot einschalten. Laszlo, du schreibst mit. Karl, alle Kurse mitzeichnen. Felix, meinen Schreibblock. Viktor, fotografiere, was die Kamera hält, jede Einzelheit. Der Kreuzerverband wird seine helle Freude an unserer Vermessungsarbeit haben."
Wie schon gesagt, Organisieren und Einteilen waren B.A.s große Stärke. Eine halbe Stunde später stand die Bevölkerung von Luka gaffend am Ufer und sah bewundernd auf das Schlauchboot, das in eleganten Mäandern den Hafen abfuhr, während Simon lässig das Lot schwang und die Tiefen ausrief. Sie bestaunte Viktor, der mit dem blitzenden Weitwinkelobjektiv ein Panorama der Bucht aufnahm, Gludowatz, wie er mit gemessenen Schritten die Entfernungen vom Kai zum Hafenkapitänshaus, zum Postamt und zum Wasserhahn ausmaß, und mich, der auf Barawitzkas Befehl mit dem quer gehaltenen Sextanten ein paar Winkel feststellte, damit die Hafenkarte auch winkelgetreu wurde. Nach einer weiteren halben Stunde kam ein kleiner Mann mit einer langen schweinsledernen Jacke und schrie herum. Wir beachteten ihn nicht, da er Serbisch sprach.

Eine weitere halbe Stunde später saßen wir alle in einem kahlen Büro, auf einem Schreibtisch lagen Sextant, Fotoapparat, Lot, Schreibblock, Millimeterpapier und Peilkompaß. Der kleine Mann in der Lederjacke ging aufgeregt rauchend im Kreis um den Tisch herum. Draußen vor der Türe stand ein Milizsoldat mit einem Gewehr, und einen zweiten sahen wir unten am Kai die HIPPODACKL bewachen.
„Des war aber eine depperte Empfehlung vom Kreuzerverband", sagte Walter, „das mit dem Ausmessen von fremden Häfen."
„Vielleicht habe ich etwas Kleingedrucktes überlesen", fragte sich der Hofrat, „vielleicht ist das Vermessen von jugoslawischen Häfen nicht erwünscht?"
„Na, es sieht jedenfalls nicht so aus, als ob das die Vorbereitungen zu einer offiziellen Belobigung sind", ärgerte sich B. A.
„Pocinak!" rief die Lederjacke. „Nix sprechen! Ruhe!"
„Mit euch gibt es keine ruhige Minute", schimpfte Laszlo, „weil ihr überall dran sein müßt."
„Pocinak! Nix sprechen!" Die Lederjacke drohte mit dem Finger.
„Ich nix sprechen, ich schimpfen", sagte Laszlo.
Gludowatz stand auf und zeigte dem bösen Serben die entsprechende Stelle im Polyglott-Sprachführer. Die Lederjacke nickte und fügte dann hinzu: „Du auch nix schimpfen. Pocinak."