Weltreise


"Als der Wind am Morgen des 24. April 1895 günstig war, lichtete ich um die Mittagszeit den Anker, setzte Segel und schlich mich von Boston fort", schreibt der damals 51-Jährige später in seinem Buch "Erdumseglung - ganz allein". Zunächst will er Richtung Mittelmeer und von dort durch den Suezkanal. In Gibraltar jedoch wird er gewarnt: Im Mittelmeer herrsche eine Piratenplage. Slocum macht deshalb kehrt - und segelt ab jetzt immer westwärts.
Die "Spray" hat eine Selbststeueranlage, kann alleine Kurs halten. Der vierfache Familienvater übersteht Stürme, Mastbrüche und zerfetzte Segel. Auch die Einsamkeit scheint ihm nichts auszumachen. Über die lange Zeit allein witzelt er: "Ich hatte nichts am Koch auszusetzen und es wurde die Regel, dass auf der ganzen Reise der Koch auch nichts an mir auszusetzen fand", notiert Slocum. "Nie hat sich eine Mannschaft so gut miteinander vertragen." Die Anekdote, wie er mit an Deck ausgelegten Reißzwecken nachts angriffslustige Feuerland-Indiander abwehrt, ist allerdings erfunden - wie er später zugibt.
In den Häfen der amerikanischen Ostküste hatte er seine Ausrüstung vervollständigt und segelte im Mai 1895 von Yarmouth aus auf den Atlantik, da er zunächst eine Weltumsegelung in östlicher Richtung durch den Sueskanal plante. Über Horta auf der Azoreninsel Fayal hat er am 4. August Gibraltar erreicht.
Von Gibraltar aus bricht er in südwestliche Richtung auf, segelt an der Kanareninsel Fuerteventura und den Kapverdischen Inseln vorbei, kreuzt den Äquator und erreicht am 5. Oktober Pernambuco in Brasilien. Nach weiteren Zwischenstationen in Rio de Janeiro, Montevideo und Buenos Aires segelt er nach Punta Arenas in der gefürchteten Magellan-Straße und erreicht von dort am 3. März 1896 den Pazifik bei Kap Pilar. Sturm treibt ihn zurück, erst 40 Tage später, am 13. April, kann er die Küste verlassen.
Über die Robinson-Insel und Samoa erreicht Slocum am 1. Oktober 1896 Newcastle in Australien. Er bleibt über ein halbes Jahr, besucht Sydney, Melbourne und Tasmanien und setzt am 16. April 1897 seine Reise fort. Er folgt der Ostküste Australiens am Great Barrier Reef, segelt durch die Torres-Straße, durchquert den südlichen Indischen Ozean über die Weihnachtsinsel, die Kokosinseln, Rodrigues und Mauritius und erreicht am 17. November 1897 Port Natal in Südafrika, umrundet Kap der Guten Hoffnung und nach einem Aufenthalt in Kapstadt bricht er am 26. März 1898 wieder auf, um den Atlantik in nordwestlicher Richtung zu durchqueren. Sein Kurs führte ihn über St. Helena und Ascension, vorbei an Trinidad, über Grenada und Dominica nach Antigua, das er am 1. Juni 1898 erreicht. Die letzte Etappe führte ihn direkt nach Newport (Rhode Island), wo er am 27. Juni 1898 eintrifft. Slocum hat in drei Jahren und zwei Monaten alleine als Segler eine Reise von über 46.000 sm um den ganzen Globus gemacht.
Der Heimkehrer vermarktet seine Reiseerlebnisse nicht nur in einem Buch, sondern auch in Vorträgen und Zeitungsartikeln. Mit seiner Familie will er sich als Farmer auf einer Neuengland-Insel zur Ruhe setzen, doch die See lässt ihn nicht los, wo er verschollen bleibt.