Wer hat die Nord-Stream-Pipeline in die Luft gesprengt?



Etwa die Grünen?

Seit Monaten kursieren wilde Anschuldigungen und Spekulationen:
Russland stecke dahinter.
Nein, die Ukraine.
Nein, die USA.

Erste Spur

Nun sind die Ermittler offenbar ein Stück weiter. Sie haben die Segelyacht "Andromeda" *), eine Bavaria 50 Cruiser und 6 beteiligte Personen ausgemacht, die am 16. September von Rostock aus in See gestochen sein sollen. Und an Bord Überreste von Sprengstoff gesichert.
Doch die Hauptfrage dieses Geheimdienstthrillers bleibt unbeantwortet: Wer waren die Auftraggeber? Bei allen Puzzlestückchen an Informationen und Erkenntnissen ist zu prüfen, ob es vertrauenswürdige Indizien sind oder manipulierte Hinweise, die die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollen.
Vermutlich war das Ziel der Sprengung eine Warnung an den Westen, dass unsere Meeres- und Unterwasserinfrastruktur gefährdet ist. Solche Optionen haben die Russen in den letzten Jahren wiederholt getestet. Ein Fachmann warnt, es könne sich um eine „False Flag Operation“ handeln.
Was ist neu?
Die Yacht wurde demnach von einer in Polen beheimateten Firma gechartert, die zwei Ukrainern gehört. Der Name der Firma ist nicht bekannt. Das Schiff war groß genug, um sechs Personen, Tauchausrüstung und den Sprengstoff zu tragen - rund 450 Kilo von einer beim Militär üblichen Qualität. Die Ausrüstung sei mit einem Lieferwagen in den Hafen Rostock gebracht worden.
Bei den 6 Personen soll es sich um den Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und eine Ärztin handeln. Ihre Nationalität nicht bekannt. Die verwendeten Reisepässe seien gefälscht. Die Saboteure seien „sehr wahrscheinlich russischer oder ukrainischer Nationalität oder eine Mischung aus beidem“.
Am Tag nach dem Auslaufen aus Rostock konnten die Ermittler die Yacht in Wiek auf Rügen (nicht Wieck auf dem Darß) lokalisieren. Und später an der dänischen Insel Christiansø nordöstlich von Bornholm.
Glaubwürdig?
Experten haben Zweifel, dass diese 6 Personen mit dieser Yacht den Anschlag ausgeübt haben. Bisher seien keine Belege bekannt, dass sie über dem Punkt der Ostsee gewesen sei, an dem die Pipeline gesprengt wurde.



Entdeckt auf Rügen ...
Für einen derartigen Anschlag ist eine Menge Spezialwissen über Tauchen und Sprengstoff erforderlich. Darüber verfügen in Deutschland - und ebenso vermutlich in anderen Ländern - nur wenige Leute. Und diese gehören den Sicherheitskräften an.
Für Experten klingt das Szenario „wenig pausibel“. Man brauche eine ganze Menge Fachwissen für so einen Anschlag: Wie man Sprengstoffe handhabt, Zünder anbringt und diese - vielleicht per Funk oder Zeitsteuerung - auslöst.
So tief im Meer könnten nur speziell ausgebildete Taucher arbeiten. Allein das Dekompressionsverfahren beim Auftauchen „zieht sich über Stunden hin“. Daher „ist die Annahme, dass die Anschläge von nicht-staatlichen Akteuren ausgeführt wurden, abwegig.“ Die Spazialisten glauben, dass staatliche Stellen beteiligt waren.

Noch komplizierter ist der Umgang mit Sprengstoff. „Dazu braucht man eine weitere Ausbildung in Sprengtechnik und in Zeitzündertechnik. Das kann man keinem Anfänger in die Hand drücken“, sagt ein Tauchprofi. Er hält es für hochwahrscheinlich, dass diejenigen, die die Sprengsätze gelegt haben, eine militärische Ausbildung haben. Um eine Pipeline zu sprengen, sind zudem sogenannte Haft- oder Schneidladungen notwendig, bei denen die Sprengwirkung möglichst in eine bestimmte Richtung zielt. Auch das ist Spezialwissen.
Dann muss nur noch das richtige Equipment her. Sich dieses zu besorgen, sehen die Profis nicht als Problem an. Das sei nur eine Frage des Geldes. Anders sei das bei der Menge Sprengstoff, die bei dem Anschlag verwendet wurde. Im Herbst gingen Ermittler von mehreren Hundert Kilogramm Sprengstoff aus. Nichts, was man leicht beschaffen kann.
Neu - der SPIEGEL entdeckt: »Andromeda« steht aufgebockt auf ehemaligem Militärgelände Das Schiff, mit dem ein mutmaßliches Sprengkommando zu den Nord-Stream-Pipelines gesegelt sein soll, steht auf der Rügener Landzunge Bug. Eine für die Anmietung verwendete E-Mail-Adresse könnte in die Ukraine weisen.




Die zweite Spur

Nord Stream Rätsel: 7 Tage ist Tanker "Minerva Julie" nahe des Angriffsortes


Der merkwürdige Zwischenstopp des Schiffes könnte die Ermittler interessieren.
Die Eigentümer erklären, der Tanker habe angehalten, "um auf die Anweisungen für seine nächste Reise zu warten".
Die kürzlich aufgetauchten faszinierenden Hinweise sind nicht von offiziellen Ermittlern, sondern von einem 29-jährigen dänischen Analysten. Oliver Alexander hat monatelang die Daten des automatischen Schiffsidentifizierungssystems (AIS) von Schiffen überprüft, die kurz vor den Schäden in der Nähe der vier Pipelinebrüche vorbeifuhren.



Der Weg der "Minerva Julie"
Alexander stellte fest, dass der 600-Fuß-Tanker unter griechischer Flagge von Rotterdam aus in Richtung Osten unterwegs war, als er am 6. September mitten in der Ostsee abrupt zum Stehen kam.



Vom 6. bis zum 13. September trieb "Minerva Julie" in der Nähe des Ortes der Explosionen vom 26. September wie AIS-Daten zeigen.
Der Tanker blieb dort sieben Tage lang, abwechselnd im Leerlauf und durchquerte ein etwa 200 Quadratmeilen großes Gebiet oberhalb der beiden Erdgaspipelines. Von dort fuhr er weiter nach Tallinn, Estland, bevor er am 18. September in Sankt Petersburg, Russland, vor Anker ging. Am 26. September kam es dann zum Bruch der beiden Pipelines.
Die Nähe der "Minerva Julie" zum Anschlagsort wurde zuerst von eier finnischen Mediengruppe gemeldet. Das hat eine Welle von Spekulationen im Internet ausgelöst, unerstützt von einer engagierten Gruppe von Amateurdetektiven und Meeresexperten. Gleichzeitig ist schwer vorstellbar, dass die offiziellen Ermittler nicht mehr über die "Minerva Julie" wissen wollen, da das Schiff eine Woche lang über dem Ort kreiste, der zu einem großen geopolitischen Tatort werden sollte. Die von Alexander aufgedeckten Daten lassen nicht darauf schließen, dass das Schiff in irgendeiner Weise an der Zerstörung der Pipelines beteiligt war. Sie werfen jedoch die Frage auf, was die Besatzung gesehen haben könnte.
In einer E-Mail bestätigte ein Sprecher von Minerva Marine den Standort der "Minerva Julie" während des siebentägigen Zeitraums und erklärte, dass das Schiff "in Erwartung der Anweisungen für die nächste Reise" gemäß der "üblichen Schifffahrtspraxis" angehalten habe. Sie äußerten nichts darüber, ob Minerva von den Ermittlern kontaktiert worden war. "Das Unternehmen stand und steht allen zuständigen Behörden bei allen Untersuchungen zur Verfügung und handelt stets auf legitime und transparente Weise", hieß es.
Alexander stellte fest, dass die drei Explosionen fast genau dort stattfanden, wo der Tanker einige Tage zuvor eine lange Pause eingelegt hatte. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass Eigentümer oder Besatzung der "Minerva Julie" Gegenstand der Ermittlungen sind, die sich Berichten zufolge auf eine gemietete Segelyacht konzentrieren. Einer mit einem 75-PS-Motor, die am 6. September, dem Tag, an dem die "Minerva Julie" am späteren Explosionsort anlegte, an Bord gegangen sein soll.
Die AIS-Ortungsdaten des Tankers werfen unter anderem die Frage auf, ob der Tanker mit der kleineren "Andromeda" in Kontakt gekommen ist. Während der Fahrt in der Nähe des Angriffsortes, nordöstlich der Insel Bornholm, hätte das Steuerhaus der "Minerva Julie" wahrscheinlich eine Sichtweite von etwa 10 bis 15 sm gehabt. Es ist unklar, ob die Ermittler das Logbuch, die Navigationskarten oder die Radaraufzeichnungen des Tankers bekamen, die Aufzeichnungen über die Aktivitäten in der Nähe der Anschlagsorte während dieses siebentägigen Zeitraums enthalten könnten.
Dass die "Minerva Julie" plötzlich mitten auf einer Reise sieben Tage lang in der Nähe des künftigen Anschlagsortes eine Pause einlegt, ist ein bemerkenswerter Zufall und vielleicht der schwerwiegendste Fall eines Schiffes, das zur falschen Zeit am falschen Ort war, seit das Containerschiff Ever Given im Jahr 2021 mitten im Suezkanal auf Grund lief und den Verkehr sechs Tage lang blockierte.
Eine harmlose Erklärung für den Verbleib der "Minerva Julie" ist jedoch alles andere als unmöglich.
"Schiffe fahren nicht immer mit voller Geschwindigkeit von Punkt A nach Punkt B", sagt ein Schiffsberater und erfahrener Lotsen für das Anlegen. "Wenn ein Schiff zum Beispiel eine Raffinerie in Philadelphia ansteuert, kann es sein, dass kein Liegeplatz frei ist. So kann es sein, dass sie auf ihrem Weg küstenaufwärts langsam vor der Küste von Delaware treiben, um Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig ist es unüblich, dass ein Tankschiff unterwegs anhält und im Kreis fährt, es sei denn, es gibt eine Auftragsänderung oder vielleicht ein mechanisches Problem an Bord.
Ein zweiter Schifffahrtsexperte erklärt, dass der Tanker auf Anweisungen gewartet haben könnte, wohin sie als nächstes fahren sollte. "Aus meiner Sicht ist es wahrscheinlich, dass nur ein einziges Schiff an dem Angriff beteiligt war und Hunderte von anderen in der Gegend", sagte er. "Mit anderen Worten: Es gibt eine große Menge Heu. Ist das die Nadel? Könnte sein, aber es ist unwahrscheinlich. Die "Minerva Julie" wäre eine unwahrscheinliche Wahl für Saboteure, da der Tanker seine Position durchgehend selbst meldete. Die Julie wurde auch nicht durch die bisher bekannt gewordenen Details der laufenden Untersuchungen identifiziert.
In verschiedenen Berichten wurde versucht, die Anschläge den Amerikanern, Russen, Ukrainern und pro-ukrainischen Freischärlern zuzuschreiben. Alle drei Länder haben eine Beteiligung bestritten. Nach einem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Anfang letzten Jahres versprach US-Präsident Joe Biden, Nord Stream 2 ein Ende zu setzen, falls Russland den damals offensichtlichen Plan, die Grenze zur Ukraine zu überschreiten, weiterverfolgen sollte, was es Ende Februar 2022 tat. Die besten Beweise dafür, wer hinter den Anschlägen steckt, liegen derzeit bei den Behörden in Schweden, Deutschland und Dänemark, die alle laufende Ermittlungen zu den Sabotageakten durchführen.



Dritte Spur

Der bekannte US-Investigations-Journalist Hersh behauptet, die USA und Norwegen steckten hinter den Explosionen an den Pipelines. Er beruft sich dabei auf eine anonyme Quelle. Seymour Hersh veröffentlichte auf seinem Blog einen Artikel, der detailliert auflistet, wie die USA vorgegangen sein sollen. Demnach haben US-Marinetaucher unter dem Deckmantel der NATO-Übung BALTOPS im Juni vergangenen Jahres in der Ostsee heimlich einen fernzündbaren Sprengstoff an einer der Pipelineröhren angebracht und ihn zwei Monate später per Sonoboje ausgelöst. Norwegen sei in die Operation eingeweiht gewesen, da die USA von ihren dortigen Militärbasen aus die geheime Mission durchgeführt hätten. Die Taucher hätten ihre Operation von einem norwegischen Minenkampfschiff der sogenannten Alta-Klasse aus durchgeführt. Oliver Alexander, der die Bewegungen der Schiffe dieser Klasse zu der Zeit des Manövers nachverfolgt hat: Die beiden noch aktiven Schiffe der Alta-Klasse seien zu der besagten Zeit in und um Norwegen unterwegs gewesen, weit weg von der dänischen Insel Bornholm.
Selbstredend weisen USA und Norwegen die Berichte umgehend zurück.



Die Universität der Bundeswehr in Hamburg sagt, die Fakten der Berichts von Hersh seien selektiv ausgewählt, damit die Geschichte keine Widersprüche enthalte. "Die Minenkriegsführung wird bereits seit mehreren Jahren im Rahmen des Manövers durchgeführt, insbesondere nach Beginn des russischen Angriffs 2014 auf die Ukraine." Die Andeutung in Hershs Artikel, die USA hätten extra daraufhin gewirkt, dass Minentaucher in die Übung mit aufgenommen worden seien, sei daher irreführend. "Das Legen und Räumen von Minen gehört schon seit Jahren zum Programm."Während einer gemeinsamen Militärübung einfach eine verdeckte Operation durchzuführen, sei zudem mindestens schwierig. "Es gibt unterschiedliche Abläufe, in denen Schiffe verschiedene Übungen durchführen. Es gibt Kommandoschiffe, die unterwegs sind und das Ganze auch strukturieren. Es ist schwer vorstellbar, dass sich da ein Schiff einfach entfernt, seinen Empfänger ausschaltet und dann versucht, zwischen einer Vielzahl von anderen NATO-Einheiten so eine verdeckte Operation durchzuführen."Auch dass die US-Navy - wie in dem Bericht behauptet - es überhaupt in Erwägung gezogen habe, die Pipeline mit ihren U-Booten zu zerstören, sei abwegig. "Die US-Navy verfügt nur noch über nuklear betriebene, große U-Boote. Da ergibt es überhaupt keinen Sinn, mit solchen U-Booten zu versuchen, unbemerkt in diese schmale Ecke der Ostsee zu fahren." Es sei daher unglaubwürdig, dass hochrangige Militärs dies überhaupt als Möglichkeit angesehen hätten.


Alta-Schiff

Auch der Zeitpunkt der Explosion spriche eher gegen die These von Hersh. Schließlich sei im September 2022 bereits kaum noch Gas durch die Pipelines geflossen, die NATO habe so eng zusammengestanden wie selten zuvor.
Hersh ist nicht unumstritten. Er war vor Jahrzehnten durch die Aufdeckung des My-Lai-Massakers in Vietnam durch US-Truppen bekannt geworden. Kritiker werfen ihm vor, Verschwörungserzählungen zu verbreiten.
Schwedens Staatsanwaltschaft war im November zu dem Schluss gekommen, die Lecks an den Pipelines seien auf schwere Sabotage zurückzuführen.

Wir müssen die weiteren Ermittlungen abwarten.
Das Nato-Land Dänemark will die Röhren untersuchen und dazu die Nord-Stream-Firma einbeziehen - zur Freude Moskaus. Dänemark will gemeinsam mit Russland einen Gegenstand bergen, den man kürzlich neben den Röhren fand.
Man habe dem Unternehmen Nord Stream 2 AG angeboten, sich an der Bergung des observierten Objekts in der Nähe der Nord-Stream-2-Pipeline zu beteiligen, heißt es in einer Mitteilung der dänischen Energiebehörde. Die russisch kontrollierte Nord Stream 2 AG habe die Einladung der dänischen Energiebehörde bereits angenommen.



PS

Eine interessante Analyse aus Focus:

Russland war’s
Russland hatte die Gaslieferungen via Nord Stream nach Deutschland im vergangenen Jahr schrittweise gedrosselt und so den Druck auf Deutschland und Europa erhöht, Alternativen zu den russischen Lieferungen zu finden. Die mögliche Rechnung von Machthaber Wladimir Putin, dass Europa aus Angst vor Energie-Versorgungsengpässen die Unterstützung für die Ukraine im Krieg einstellt, ging vornherein nicht auf. Als Vergeltung für diese Haltung der Europäer könnte Putin den Befehl zur Sprengung gegeben haben, nachdem der Gasverkauf und damit die Einnahmen daraus sowieso zum Erliegen gekommen war. Für diese These spricht, dass ein Pipelinestrang angeblich erhalten geblieben ist. Das sieht aus wie eine gezielte Hintertür-Maßnahme, die sich Russland als Attentäter aufhalten möchte, um doch später wieder Gas liefern zu können. Russische Militärs und Geheimdienst dürften zudem zu einer solchen Operation in der Lage sein.
Gegen sie als Täter spricht allerdings, dass den Löwenanteil der Investitionen, die in Nord Stream geflossen sind, vom staatlichen Energiekonzern Gazprom stammen, der sie jetzt abschreiben muss. Zudem ist „Vergeltung“ auch keine vernünftige Kategorie, die staatliches Handeln leiten sollte.
Neu - SPIEGEL (25.3.2023) : Ein Bericht wirft neue Fragen auf. Wenige Tage vor den Explosionen an Nord Stream 1 und Nord Stream 2 haben russische Militärschiffe mutmaßlich an den Tatorten operiert. Der Schiffsverband verfügte demnach über die notwendige Ausrüstung, um Sprengsätze anzubringen. Satellitenbilder belegen, dass in der Nacht zum 21. September mindestens drei verdächtige Schiffe Russlands Flottenstützpunkt in Kaliningrad verließen. Drei weitere Schiffe der russischen Marine könnten den Einsatz begleitet und militärisch abgeschirmt haben.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die Korvette »Soobrazitelny« und die Fregatte »Yaroslav Mudry« hätten zu Übungszwecken einen Schiffskonvoi eskortiert.

Die Ukraine war’s
Entsprechende Hinweise lassen diese Theorie in diesen Tagen wahrscheinlicher werden: Ein Boot, in dem deutsche Ermittler im Januar bei einer Durchsuchung Sprengstoffreste gefunden haben und das möglicherweise für den Anschlag benutzt wurde, vermietete eine Firma in Polen, die zwei Ukrainern gehört. Die Identität der Crew ist unbekannt, ihre Pässe sollen gefälscht gewesen sein. Niemand weiß, ob diese Spur eine richtige und keine bewusst falsche Fährte ist und falls sie richtig ist, weiß bislang auch niemand, ob die Attentäter im Regierungsauftrag handelten. Letzteres gilt allerdings für alle Täter, egal welcher Nationalität.
Die Ukraine hat mehrere Motive: Sie hat die Pipeline stets als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit dargestellt. Ukrainische Regierungsvertreter warnten genauso wie etwa polnische Politiker den Westen vor der Abhängigkeit von Russland, in der er sich durch den Bau von Nord Stream begebe. Für die Ukraine stand jedoch mehr auf dem Spiel. Das Land profitiert von Gastransitleitungen aus Russland nach Österreich und Europa. Es erhält damit selbst Gas und kassiert Milliarden an Durchleitungsgebühren. Diese Versorgung stand durch die ausgebaute Nord Stream-Alternative auf dem Spiel. Die Zerstörung der Pipelines traf außerdem den ukrainischen Kriegsgegner Russland, auch das ist ein Motiv.
Gegen die Ukraine als Täter spricht allerdings, dass ein geheimes Kommandounternehmen unter den Augen der Nato, die den Seeraum überwacht, logistisch schwierig durchzuführen ist. Auch die Frage, warum ein Strang der Pipeline erhalten blieb, ist ungelöst.

Die Amerikaner waren's
Die US-Regierung sowohl von Donald Trump wie auch die aktuelle von Jo Biden hat Deutschland stets gewarnt, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen und sogar Sanktionen gegen Unternehmen verfügt, die sich am Bau beteiligen. Grund war offiziell die Befürchtung der USA, dass sich Europa zu sehr in Abhängigkeit von Russland begebe. Tatsächlich nützt erst die Drosselung der Energie aus Russland und schließlich die Sprengung der Pipeline, vor allem den US-Gaslieferanten, die jetzt in schnellem Takt mit eigenen vollgeladenen Flüssiggastankern Europa versorgen und damit ein hervorragendes Geschäft machen. US-Politiker bis hin zu Jo Biden haben außerdem immer wieder angedeutet, dass sie das „Problem Nord Stream endgültig lösen“ wollen. Sie haben nach der Sprengung aus ihrer Genugtuung kein Hehl gemacht. Technisch ist die USA zu so einer Operation in der Lage.
Gegen sie als Täter spricht die Düpierung einiger europäischer Verbündeter insbesondere Deutschlands, wo das Thema Fertigstellung der zweiten Pipeline noch bis zum Tag des Angriffs von Russland auf die Ukraine vorangetrieben wurde. Schließlich: Auch aus US-Sicht wäre es unschlüssig, nicht alle Stränge der Pipeline zu zerstören.

Die Briten waren's
Der Kreml beschuldigt seit dem Anschlag Großbritannien, den Angriff geplant, gesteuert und zumindest mitausgeführt zu haben. Für diese Sicht spricht, dass Großbritannien über eine Reihe der weltweit größten Energieversorger verfügt, die von dem Preisauftrieb am Gasmarkt profitieren, der durch die Sprengung nochmal einen Schub erfahren hat. Das Brexit-Land tendiert stark Richtung USA und wendet sich derzeit von der EU weiter ab. Technisch ist England mit seiner hochgerüsteten Marine zu einem solchen Attentat in der Lage. Im Ukraine-Krieg steht die Regierung in London ohne Einschränkungen hinter dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und könnten seine Sache durch eine Sprengung unterstützen wollen.
Dagegen spricht, dass die Briten derzeit aufgrund von Brexit, Krieg und Inflation in einer tiefen Rezession stecken. Das politische System strahlt wegen zahlreicher Wechsel an der Regierungsspitze alles andere als Kontinuität aus und ein Bekanntwerden der Urheberschaft an einem solchen Attentat dürfte die Regierung in Downingstreet Nr. 10 in die nächste schwere Krise stürzen.

Deutschland war‘s
Dafür spricht, dass eine politisch heikle Diskussion, die die Regierungspartei SPD intern gespalten hat, durch die Zerstörung der Pipelines beendet werden konnte, weil damit Tatsachen geschaffen wurden. Dafür spricht auch die Geheimniskrämerei, die seither rund um den Vorgang in Deutschland bis hin zum Bundestag gemacht worden ist. So lehnte die Regierung Nachfragen zu den Ermittlungsergebnissen von Seiten der Opposition aus Linken und AfD regelmäßig mit Hinweis auf die „nationale Sicherheit“ ab. Dafür spricht auch, dass ein Strang der Explosion standgehalten hat: Genauso wie für Russland besteht auch für Deutschland hier noch immer eine Hintertür, die sich öffnen lässt.
Gegen Deutschland als Haupttäter spricht, dass die seit Ausbruch des Krieges stark gestiegenen Energiepreise die deutsche Industrie belasten, wie keine zweite Volkswirtschaft. Alle Verbindungen zu Russland zu kappen wäre mit Blick auf ein Nachkriegsszenario unklug. Zudem haben deutsche Unternehmen, die am Nord Stream-Projekt beteiligt waren, Milliarden Euro durch die Sprengung verloren. Auch an Entschlossenheit zu so einem Anschlag dürfte es der Regierung unter Kanzler Olaf Scholz mangeln. Scholz selbst galt noch bis Ende des Jahres 2021 als Unterstützer des Pipeline-Baus und versuchte sich so lange wie möglich neutral zu verhalten.



*)
Während das meiste an diesem Agententhriller, der sich gerade zum Segelkrimi entwickelt, also noch im Dunkeln liegt, zeigt ein kurzer Blick ins YACHT-Archiv: Sollten wenigstens Schiffsname und -typ stimmen, dann war die YACHT als Erste an Bord. Im Jahr 2015 begleiteten wir einen Überführungstörn der besonderen Art: Zwar ohne Sprengstoff und Taucher, dafür mit knapp 150 hochmotivierten Seglern, die die Mola-Flotte mit 30 Schiffen im Herbst von Flensburg nach Rügen überführten. Steile Lernkurve inklusive.

Rätsel gelöst: Es war die Olsenbande!
Chef an Bord Egon Olsen, dann Sprengmeister „Dynamit-Harry“ Frandsen, dann Dr. Yvonne Jensen, die Frau Kjeld Jensens. Dieser besorgt all jene Gegenstände, die die Bande für die Ausführung ihres Coups benötigte. Mit seinem eher ängstlichen Wesen lautete Kjelds erste Frage auf Egons neuen Plan: „Ist das nicht gefährlich?“ Yvonne Jensen, in Wahrheit Ärztin, soll sich um die Gesundheit der Tiefseetaucher kümmern. Ihr Markenzeichen sind schrillste Kleidung und ein hohes Maß an Naivität - was ideal für die Täuschung der Hafenmeister ist.