Chamisso
Zitat S. 263ff:
Erklärung Kapitän Kotzebues
"Um zwölf Uhr nachts, als wir eben am nördlichen Vorgebirge
vor Anker gehen wollten, erblickten wir zu unserem Schreck
stehendes Eis, das sich, so weit das Auge reichte, nach Nordosten
erstreckte und nach Norden zu die ganze Oberfläche des Meeres bedeckte.
Mein trauriger Zustand, der seit Unalaschka täglich schlimmer wurde,
erlitt hier den letzten Stoß. Die kalte Luft griff meine kranke
Brust so an, daß der Atem mir verging und endlich Brustkrämpfe,
Ohnmachten und Blutspeien erfolgten. Ich begriff nun erst,
daß mein Zustand gefährlicher war, als ich bis jetzt glauben wollte,
und der Arzt erklärte mir ernstlich, ich könnte in der Nähe des
Eises nicht bleiben. Es kostete mich einen langen schmerzlichen
Kampf; mehr als einmal war ich entschlossen, dem Tode trotzend
mein Unternehmen auszuführen; wenn ich aber wieder bedachte,
daß uns noch eine schwierige Rückreise ins Vaterland bevorstand
und vielleicht die Erhaltung des "Ruriks" und das Leben meiner
Gefährten an dem meinigen hing: so fühlte ich wohl, daß ich
meine Ehrbegier unterdrücken mußte; das einzige, was mich bei
diesem Kampf aufrechterhielt, war die beruhigende Überzeugung,
meine Pflicht redlich erfüllt zu haben. Ich meldete dem Kommando
schriftlich, daß meine Krankheit mich nötige, nach Unalaschka
zurückzukehren. Der Augenblick, in dem ich das Papier unterzeichnete,
war einer der schmerzlichsten meines Lebens; denn mit diesem Federzuge
gab ich einen lang genährten, heißen Wunsch meines Herzens auf."
Und ich selbst kann nicht ohne das schmerzlichste Gefühl dieses
unglückliche Ereignis berühren. Ereignis, ja! mehr denn eine Tat.
Herr von Kotzebue befand sich in einem krankhaften Zustande,
das ist die Wahrheit; und dieser Zustand erklärte vollkommen den
Befehl, den er unterzeithnete. Erklärt, sage ich, ob aber auch
rechtfertiget, muß erörtert werden. |